Das Seil
Quelle: arte.tv

Kurz-Rezension und Interpretation zur Mini-Serie/Film „Das Seil“.

Auf Grundlage eines Romans „Das Seil“ von Stefan aus dem Siepen hat Arte eine Eigenverfilmung adaptiert mit Regisseur Dominique Rocher. Er hat zusammen mit Eric Forestier auch das Drehbuch geschrieben.

Worum geht es?

— Spoilerwarung – hier wird auch das Ende der Verfilmung beschrieben. —

 

Begegnung mit sich selbst

Sowohl im Buch als auch in dieser filmischen Adaption des Romans zieht eine Gruppe von Menschen aus, um der Quelle eines Seils zu folgen. Sind es im Buch Männer aus einem abgelegenen Dorf, die der Neugier erliegen, das Ende des unerklärlichen und offenbar endlosen Seiles zu finden, so sind es im Film Forschende einer Sternwarte tief in den Wäldern. Wie im Buch so begegnen auch die Wandernden in der Verfilmung unterwegs sich selbst mit ihren tiefsten Ängsten, die letztlich über die Art ihrer Lebensführung und ihrer Selbstmotivationen bestimmen.

Wanderer aus früheren Zeiten

Unterwegs begegnen die Forschenden auf ihrer Wanderung auch verwesten Leichen, die offenbar in früheren Zeiten dem Seil gefolgt waren aber dann starben oder sich gegenseitig ermordet hatten. Es scheint fast, als wollten die Autoren des Films einen Bezug zum Buch herstellen und ihren Film wie eine Fortsetzung erscheinen lassen. Einer der Verstorbenen spricht in der Nacht zur einer der Wandernden über das Thema des Glaubens. Während seine leichenhafte Erscheinung als Gesprächspartner fast komisch bis skurril wirkt in Anbetracht des sehr ernsten Themas, ist für mich – bei geschlossenen Augen und nur zuhörend – das Gespräch selbst spirituell und faszinierend.

Die Taufe

Die Wanderung zu sich selbst außerhalb der real fassbaren Welt zeigt sich im Film schon bald auch daran, dass es dort im Wald kein wechselndes Wetter gibt und offenbar einen verlangsamten Zeitverlauf.
Die „Taufe“ für diesen Weg machte die Gruppe beim Durchtauchen einer unterirdischen Wasserhöhle. Ein bekanntes, religiöses und mythisches Motiv für eine Einweihung. Denn spätestens jetzt ist klar, dass es kein Zurück mehr geben kann.

Weg ohne Ende

Ähnlich wie im Film „Stalker“ von Tarkowski wandern die Menschen weiter in der Hoffnung auf Antworten oder Erlösung. Hierbei geben in beiden Filmen die Charaktere mit ihren Grundproblemen das Thema der eigenen Wahrnehmung und Erlebnisse vor, auf der Wanderung durch diese unwirkliche Welt.
Am Ende erreicht in Film „Das Seil“ einer der Protagonisten scheinbar das mögliche „Ende“ des Seils. Und ähnlich wie bei „Stalker“ ist es am Ende des Weges nur eine Begegnung mit dem eigenen, seelischen Grundproblem. Ist es bei „Stalker“ die Tatsache, dass sich am Ende niemand etwas zu wünschen weiß, so ist es beim letzten Protagonisten in diesem Film ein Fingerzeig auf sein Grundproblem des eher unentschlossenen „Hinterherlaufens“ – sei es, seiner Freundin hinterher zu laufen oder eben dem Seil zu folgen. Am Endes kommt er mitten in einer ausgetrockneten Wüste an eine Kreuzung mit einem anderen Seil. Er lacht auf, er hat es verstanden. Es gibt kein Ende. Es gibt nur Entschlüsse für den Weg, den wir gehen.

Parallel dazu gelingt den übrig gebliebenen Forschenden in der Sternwarte der „realen“ Welt der Durchbruch und das Erreichen ihres Forschungsziels. Doch die nun verwitwete Forscherin, die mit ihrem, auf der Wanderung verstorbenen Mann, dieses Projekt maßgeblich betrieben hatte, ist nun frei davon. Für sie ist im Leben die Liebe wichtiger als der Erfolg. Ein etwas abgegriffenes Klischee über erfolgreiche Frauen und Liebe, nun ja…

Sowohl in der „realen“ Welt der Forschenden in der Sternwarte als auch in dieser „Zwischenwelt“ der Wandernden spielen die Endlosigkeit und das Unbekannte eine Rolle. Beides ist nicht zu fassen. Das einzige, was wir tun können ist, sich für eigene Wege zu entscheiden.

Atmosphäre

Die Verfilmung wäre auch ohne Mord, Blut und Sex gut geworden, vielleicht sogar besser. Das hätte seelisch mehr Raum für die Muße gelassen sich auf die Atmosphäre dieser „Zwischenwelt“ einzulassen, in die die Protagonisten eingetreten sind. Denn sie ist der Schlüssel und letztlich sind wir doch alle neugierig – auch die Zuschauer….

 

Quellen und weitere Informationen:

Das Seil – arte.tv
https://www.arte.tv/de/videos/RC-021792/das-seil

Das Seil – Buch von Stefan aus dem Siepen:
https://www.dtv.de/buch/das-seil-41357

Rezension des Buches „Das Seil“
https://www.belletristik-couch.de/titel/2162-das-seil/

Kritik zur Serie „Das Seil“
https://www.serienjunkies.de/news/redaktion/von-arte-das-seil-kritik-zur-mystery-miniserie-92605012.html

Stalker Film von Tarkowski (via Invidious statt Youtube)
https://invidious.protokolla.fi/watch?v=Q3hBLv-HLEc

Filmrezension Stalker von Tarkowski
https://filmsucht.org/stalker/ 

 

Tiere sind keine Steine

Doch was, wenn Tiere keine Steine sind? Dann haben wir ein echtes moralisches Problem

…sagt der Autor Frans de Waal, Autor des Buches “Mamas letzte Umarmung”.

Buch Mamas letzte Umarmung Frans de Waal

Tiere können nicht zu uns über ihre Emotionen sprechen.
Und Menschen haben das Bedürfnis, sich von Tieren abzugrenzen.
Diese zwei Gründe erkennt Frans de Waal als Ursache dafür, daß Menschen lange Zeit den Tieren eine Bandbreite an Emotionen absprachen, die über Aggression oder Unterwerfung hinausgehen.
Tatsächlich können Tiere ebenso wie wir stolz sein, trauern, Scham empfinden und mitfühlend sein – übrigens auch über Artgrenzen hinweg, wie viele Menschen mit Haustieren wissen.

Frans de Waal geht in seinem Buch auch noch über Emotionen der Tiere hinaus.
Er zeigt auf, daß der Mensch nicht eben kein Homo oekonomicus ist, sondern diese Zuschreibung eine Verunglimpfung unserer sozialen Fähigkeiten ist.
Wir Menschen sollten uns um Erhalt und Pflege unserer sozialen Fähigkeiten auch in Bezug auf Tiere bemühen.
Nicht nur aus moralischen Gründen, sondern weil es uns auch zufriedener macht, wenn es allen möglichst gut geht.

Frans de Waal sieht die emotionalen Unterschiede zwischen Menschen und Tieren nicht, sondern zeigt auf, daß unsere Kommunikation anders ist und wir Menschen viel zu viel Wert auf sprachliche Äußerungen legen.
Wie wir verfügen Tiere über Lebenswillen, Schmerzen, Freude und Trauer.
Sie sind keine Steine.
Wer sie dann immer noch als minderwertiger ansehen will, hat ein moralisches Problem.

https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-mamas-letzte-umarmung/1839073

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