Die Natur als Ganze ist bereits das Paradigma eines Haushalts der Gemeingüter.
Nichts in ihr ist Monopol, alles ist Open Source.

Der Biologe und Philosoph Andreas Weber schreibt seit einigen Jahren von einem radikalen Ansatz des Umdenkens im Hinblick auf unseren Platz in der Welt und dem Umgang mit ihr und unserem Leben darin.
Er hat in einem Plädoyer im SWR seine Sicht selbst dargestellt:
Zurück zur beseelten Natur – Plädoyer für einen Perspektivwechsel

Oder zum Download der mp3-Datei hier

Andreas Weber spricht mir mit diesem Plädoyer aus dem Herzen, denn er erzählt von etwas, das ich schon als Kind wusste, es jedoch unterwegs im Leben immer wieder mal vergas.
Inzwischen vergesse ich es nicht mehr und hoffe, es werden immer mehr, die es auch nicht mehr vergessen können.

Verstecktes-Paradies

In der Zeitschrift Oya in Oya 01/2010 können wir dazu weiter lesen:

’ Das Streben nach Freiheit scheint die einzige Maxime der Menschen zu sein, nichts darf die Freiheit in Frage stellen. Der Philosoph und Biologe Andreas Weber zeigt, dass Freiheit von kurzer Dauer ist, wenn sie nicht der Verbundenheit mit dem mehr-als-menschlichen Leben entspringt. Die Idee der Gemeingüter, ein von allen geteiltes Leben, fordert uns heraus, das Paradox von Freiheit und Verbundenheit zu integrieren.

Ein Satz bildet den Gravitationspunkt unserer Epoche des haltlosen Fortschritts. Er lautet: »Im Zweifel für den Menschen.« Diese Grundüberzeugung eint bis heute alle Lager. Sie leitet die Post-Kapitalisten, in deren Augen die gesamte Biogeosphäre eine Ressource für den Markt ist. Sie inspiriert die Neo-Marxisten, denen es um die technische Verbesserung und massenhafte Anhebung der Lebensumstände geht. Sie erfüllt auch die Grünen, die mit Öko-Effizienz Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen wollen.

Um das Problem des Mangels zu lösen, das die Menschheit seit jeher begleitet, haben wir unsere Welt in zwei Wirklichkeiten aufgeteilt: Hier die Menschen, ihre Wirtschaft, ihre Kultur – und dort der Rest der belebten und unbelebten Welt. Uns leitet ein Denken, das einzig das Humane zum sinnvollen Projekt erklärt, alles andere aber zur bloßen Ressource herabwürdigt. Schon lange haben wir die Gemeinschaft mit dem Leben auf der Erde aufgekündigt und das siamesische Band der Loyalität zwischen allem Lebendigen durchschnitten. Gerade die Klimadebatte, die das beispiellose Artenschwinden völlig aus den Augen verloren hat, zeigt: Es geht allein um unsere Rettung.

Was aber, wenn unsere Rettung ohne die aller anderen Wesen nicht möglich wäre? Was, wenn es den Menschen allein gar nicht gäbe, sondern er nur als Teil einer Gemeinschaft lebendiger Bezüge, Sinn- und Nahrungsflüsse existierte? Was, wenn wir die Gemeinschaft der Menschen schädigten, indem wir das Band zum übrigen Leben zerfasern lassen?

Eines sollte hellhörig machen: Der neuzeitliche Fortschrittsweg hat, trotz aller Beteuerungen, nicht nur den Abstand zur Natur, sondern auch die Spaltung zwischen den Menschen immer nur tiefer gemacht. Nie zuvor, nicht zur Zeit des Sonnenkönigs und nicht zur Zeit der Pyramiden, standen einer so großen Zahl von Zerlumpten und Hungernden so wenige unermesslich Reiche gegenüber wie jetzt. Die Trennung der Natur und der Menschen, vorgenommen zum Wohle der Menschlichkeit, bewirkt, dass immer mehr Menschen alles hergeben müssen, was sie von Natur aus besitzen: ihren Körper, das Recht auf Unversehrtheit, ihre biologische Ganzheit. Die Versklavung der Natur brachte damit nicht die verheißene Befreiung mit sich, sondern im Gegenteil eine nie dagewesene Unterwerfung der Menschen. ’

von Andreas Weber
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Natur-Weitblick

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Die Reporterin Jana Petersen war in Amazonien als vermehrt Brände gelegt wurde.
Sie war Gast bei den Huni Kuin.

’ “Was können wir von euch lernen?”, fragte ich Txana.

“Aus meiner Sicht haben die Leute im Westen alles. Das Einzige, was sie von uns abgucken könnten, ist die Verbindung zur Natur. Wenn diese Verbindung steht, verlieren sich die Menschen nicht so in ihrem Denken. Dann können sie ihre volle Kraft entfalten. Ungleichgewicht führt zu Armut, Krankheit und Chaos, das sehen wir überall auf der Welt. Wir brauchen Liebe, Harmonie und Kreativität, um die Kräfte zu balancieren. Haux, haux.”

“Hausch, hausch”, sagte auch ich. Das heißt in der Sprache der Huni Kuin: Anfang, Ende, Harmonie.

Es geht nicht darum, das Bessere im Fremden zu suchen. Aber vielleicht, denke ich in meinem Bett in Berlin, hilft das indigene Denken, einen neuen Blick auf unsere Gesellschaft zu finden. Ein Denken, das Symptome nicht isoliert, sondern als Teil komplexer Systeme begreift. Das Beziehungen, Zusammenhänge und Strukturen erkennt, wo wir keine wahrnehmen. Das macht dieses Denken, diese Kultur und ihre Methoden nicht besser – nur anders. ’

Brasilianische-indigene

’ Wir haben ein Naturproblem. Daher sollten wir von Menschen lernen, die keines hatten, schreibt Weber. Wir sollten uns für das interessieren, was die Indigenen denken und tun, weil diese Praxis Millionen Jahre lang unseren Planeten fruchtbar hielt und Lebendigkeit hervorbrachte.
(Andreas Weber: Essay Indigenialität )

Was so lange als naiv und primitiv verurteilt wurde, erscheint heute, im Lichte der jüngsten Einsichten von Biologen und Anthropologen, als ökologischer Realismus. Wir könnten, so schreibt Weber, uns der Einsicht nicht mehr verschließen, dass alle Wesen fühlende Subjekte sind und dass auch die Dinge einem Begehren folgen, in Verbindung zu treten, zu teilen und sich dadurch zu verwandeln. Auch der brasilianische Anthropologe Eduardo Kohn, Autor des Buches How Forests Think – Toward an Anthropology Beyond the Human, habe beobachtet, wie alle Wesen, nicht nur der Mensch, subjektive Vorstellungen von anderen entwickeln, schreibt Weber: So macht sich etwa auch der Jaguar ein bewusstes Bild von uns. Alle Wesen haben ein Selbst. Dieses Selbst der anderen anzuerkennen erlaubt den Menschen im Amazonas, für ihr Leben essentielle Voraussagen zu machen. Indem ein Indianer etwa Ameisen als Ichs mit ihren jeweiligen Bedürfnissen versteht, vermag er ihre Bedeutung für den Wald und letztlich für seine eigene Versorgung verstehen. ’

jordano-river

’ Vielleicht war der Moment, in dem ich den Wald am deutlichsten spürte, der Augenblick, in dem ihn verließ.
Ich kam mir vor, als hätte ich mich verfahren, verflogen, verlaufen, als sei ich aus einer Raumkapsel gekrabbelt auf einen fremden Planeten. Als sei ich in einer Zukunft gelandet, in der die Menschheit falsch abgebogen ist. ’

(alle Zitate aus Zeit-Artikel, s.u.)

Amazonas: Vom Feuer und vom Fieber | ZEIT ONLINE https://www.zeit.de/kultur/2019-09/amazonas-regenwald-waldbraende-indigene-bevoelkerung-natur/komplettansicht

Ayahuasca-Kultur:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Ayahuasca


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